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Dienstag, 3. September 2013

Asperger und die Langsamkeit der Anderen

In einer Welt, in der immer alles schnell und schneller gehen muss, ist doch eines gleich geblieben. Die Muggel bewegen sich immer noch sehr langsam durch die Welt. Sie scheinen es nicht eilig zu haben. Und doch wird immer gesagt, die Menschen hetzten.
Mir kommt es jeden Tag so vor, als würde ich mich durch stehende Menschenmassen bewegen. Die Muggel stehen mir immer im Weg. Sie bleiben einfach stehen. Sie schauen um sich herum. Oder sie sind sonst langsam. Zumindest für meine Verhältnisse. Ich habe meine Fortbewegungsgeschwindigkeit immer als normal angeschaut. Doch meine Frau hatte mir mal gesagt, dass ich mich extrem schnell durch die Welt bewege. Das hat mich dann doch zum Nachdenken angeregt. Wieso bin ich so schnell? Mir fällt das gar nicht auf. Erst seit ich das weiss, achte ich mich. Vorher habe ich mich einfach immer nur aufgeregt.
Es ist eine Sache sich durch die Welt zu bewegen, wenn man sie wahrnimmt. Aber eine ganz andere, wenn man sie nicht wahrnimmt. Wenn man nicht um sich merkt. Nur starke Berührungen. Sonst nichts. Mir geht es genau so, wie beschrieben. Ich wusste nicht, dass ich meine Umgebung nicht wahrnehmen kann. Aber sollte. Ich bewege mich darum so schnell durch die Welt, weil ich immer wieder Berührungspunkte brauche. Sei es ein Geländer, ein Sitz, was auch immer. Einfach etwas, dass ich berühren kann. Sonst bin ich wie ein Blinder ohne Stock. Ich bin verloren.
Ich fixiere etwas an, steuere darauf zu, und so weiter. So bewege ich mich durch die Welt. Es ist ein ständiges nach Fixpunkten Ausschauhalten. Ein ständiges unsicher sein. Mir hilft die Musik dazu. Sie lenkt mich ab. Besonders an Bahnhöfen, wo es immer laut ist und sich viele Menschen aufhalten. Ich höre aber nicht irgendeine Musik. Nein, sie muss schnell und hart sein. Metal. Das ist mein Ding. Ich bewege mich im Takt zur Musik. Sie gibt mir die Sicherheit um mich durch die Welt zu bewegen. Sie gibt mir auch die Koordination. Ohne wäre ich verloren. Ich bewege mich ohne Musik nur sehr ungerne Draussen. Manchmal lässt es sich aber nicht vermeiden. Dann gehe ich noch schneller.
Nur, wenn ich mit meiner Frau unterwegs bin, macht es mir nichts aus. Sie hält ja auch meine Hand. So habe ich einen Berührungspunkt. Klar, es ist auch sonst schön, ihre Hand zu halten. Aber der Berührungspunkt ist doch auch wichtig.
Mir ist auch aufgefallen, dass die Muggel sich manchmal einfach orientieren müssen. Dazu bleiben sie stehen. Ich nicht. Ich mache alles im gehen. Dann eifach ein wenig langsamer. Aber ich bin immer in Bewegung. Das musste ich auch lernen, dass die Muggel einfach manchmal Zeit brauchen um sich zurecht zu finden. Ich nicht. Ich finde mich sofort zurecht. Wieso, weiss ich auch nicht. Ich wusste bis vor kurzem nicht einmal, dass ich das kann.
Doch die Langsamkeit der Muggel hat auch was für sich. So können sie besser auf andere reagieren. Sie knallen nicht einfach in sie rein. Mir ist das in der Vergangenheit viel passiert, ohne zu wissen wieso. Heute versuche ich ihnen einfach auszuweichen. Meistens gelingt mir das gut, und ich komme ohne eine Berührung durch einen Hauptbahnhof. Doch das musste ich üben. War nicht so einfach, aber es klappt meistens ganz gut. Die Muggel können dank ihrer Langsamkeit auch mit anderen interagieren. Sie können Blickkontakt aufnehmen. Sie können sich durch den Körper verständigen. Das alles geht mir verloren. Ich kriege das alles nicht mit. Ich sehe niemandem in die Augen. Bin so gesehen völlig kommunikationslos. Aber damit kann ich leben. Damit habe ich zu leben gelernt.
Ich denke, dass Beides sein Gutes hat. Das man einfach lernt, mit sich umzugehen und sich auch so zu akzeptieren, wie man ist.

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