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Samstag, 15. März 2014

Asperger und Gesichter

Für Muggel ist es ganz normal, dass sie Gesichter sehen. Es ist für sie ganz normal, dass sie jemanden anhand des Gesichtes erkennen. Sehen wie es dieser Person geht. Sehen, was sie ausdrücken will.
Sie können sich aber nicht vorstellen, das es Meschen gibt, die dies nicht oder nur begrenzt können. Das sie Menschen nicht anhand von Gesichter erkennen, sondern an deren Kleidung. An deren Stimme. An deren Bewegungen.
Das ist nicht so einfach. Denn die Menschen ändern ihre Kleidung. Sie ändern ihre Bewegungen. Sie ändern aber eines nie. Ihre Stimme. Ich erkenne die Menschen an ihrer Stimme. Aber auch an ihren Kleidern. Nun, ich muss mir einfach bei jeder Person merken, was sie trägt. Ich muss mir alles merken. Doch wenn die Person etwas Neues trägt, dann wird es schwierig für mich. Ich muss warten, bis die Person spricht. Spricht sie nicht, dann stehe ich vor ihr, und erkenne sie nicht. Das führt immer mal wieder zu komischen Situationen. Doch damit kann ich gut leben. Ich kenne es ja nicht anders.
Wenn ich nach einer Person frage, dann heisst es häufig, das ist die oder der mit den blonden oder schwarzen Haaren. Die mit der Narbe oder was auch immer. Nun, ich sage dann, ok, keine Ahnung wenn du meinst. Dann merken sie es und beschrieben die Person anhand von Bewegungen oder wo sie ihren Platz haben. Damit kann ich was anfangen.
Muggel können sich auch nicht vorstellen, dass man gar nichts sieht. Man steht vor einer Person, sieht sie aber nicht. Sie wissen nicht, wie das ist. Für sie ist es komisch, dass sie nicht wahrgenommen werden. Sie sind es gewohnt, dass sie wahrgenommen werden. Das das Gegenüber auf sie reagiert. Erkennt, was sie ausdrücken wollen.
Ich erkenne das nicht. Es ist fast so, als ob ich sehend blind durch die Welt gehe. Ich nehme sie nur sehr schwach wahr. Aber, und das wundert mich bis heute. Ich sehe meine Frau. Ich sehe ihr Gesicht. Sehe, wenn es ihr gut und wann nicht gut geht. Oder ich denke, ich meine, dass ich es sehe. Nicht immer stimmt es. Das ist aber nicht schlimm. Sie weiss um meine Schwäche. Sie weiss, dass ich das nicht extra mache.
Bei Specialisterne, spielt das keine Rolle. Da wissen die Muggel, wie sie damit umgehen sollen und müssen. Für sie ist das kein Thema. Gut, manchmal erlauben sie sich Scherze mit mir. Aber das ist nicht schlimm. So gibt es was zu lachen. Ich mache mich auch manchmal selber über meine Behinderung lustig. Mit Humor geht es einfacher. Doch das mache ich nur mit den Personen, welche ich jahrelang kenne. Zu denen ich Vertrauen habe. Bei allen anderen, kann ich es nicht ertragen, wenn sie einen Scherz machen. Denn das ist dann nicht lustig, da sie sich mit dem Thema nicht auskennen und mich auch nicht gut genug kennen.
Gesichter sind das, was die Menschen brauchen, damit sie sich orientieren können. Für sie ist es wichtig, was sie damit ausdrücken wollen. Sie sprechen mit dem Gesicht, ohne ein Wort zu sagen. Sie sprechen damit ohne sich zu äussern. Diese Sprache kann ich nicht. Mein Gesichtsausdruck, spiegelt nicht immer das wieder, was ich denke. Ich brauche das Wort denken, anstelle von fühlen. Muggel fühlen, ich denke. Das ist auch so ein Unterschied. Ich drücke mit meinem Gesicht also meine Gedanken aus. Aber leider nicht immer richtig. Im Gegenteil, meistens ist es falsch. Doch ich denke, dass das eine Besonderheit von Asperger ist. Sie haben ihren Körper nicht so unter Kontrolle wie die Muggel. Unsere Körpersprache ist für die Muggel verwirrend. So wie die ihre für uns ist. Gut, damit sie verwirrend sein kann, muss man sie zuerst sehen.
Zu den Gesichter gehört aber auch die Frisur. Das ist dann extrem schwer für mich. Sehe ich einen Film, und die Person ändert von einer Szene zur nächsten die Frisur, erkenne ich sie nicht mehr. Auf Bildern, kann ich Gesichter sehen. Aber nur da. Sonst nicht.
Wenn meine Frau beim Frisör war, ist es immer spannend, ob ich sie noch erkennen. Zum Glück ändert sie die Frisur nicht mehr stark, das erleichtert es mir sehr.
Gesichter sind für mich etwas, die ich nicht wahrnehme. Wie so vieles nicht. Und doch, kann ich arbeiten. Mit anderen sprechen. Mein Leben leben. Klar, mit Einschränkungen. Doch diese Einschränkungen sind für mich nicht schlimm. Ich lebe ja seit jeher damit. Wichtig ist doch, dass man sich so akzeptiert, wie man ist. Dass man mit sich selber leben kann. Das man aber auch denn anderen sagen kann, was die Einschränkung oder die Besonderheit ist. Dann klappt es ohne Probleme. Die Muggel geben sich Mühe zu verstehen. Auch wenn sie nicht immer richtig reagieren, so versuchen sie es. Es ist ein miteinander, statt ein gegeneinander. So erlebe ich meinen Alltag. So erlebe ich meine Beziehung zu meiner Frau, aber auch zu meinen Arbeitskollegen. Es spielt für meinen Alltag keine Rolle mehr, ob ich Gesichter erkenne oder nicht. Das ist für mich eine riesen Erleichterung. Das macht das Leben für mich wieder angenehm.

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